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Elza van den Heever: „Bei Verdi kann ich mich austoben“

Publikumsliebling Elza van den Heever kehrt nach Frankfurt zurück und eröffnet als Leonora in Verdis „Il Trovatore“ die neue Spielzeit an der Oper. Premiere ist am Sonntag.

Ein Blick in die grünlich schimmernden Augen der kurzhaarigen Sängerin, und es wird klar: Hier blicken die Augen einer unverstellten Persönlichkeit zurück. Diese Deutlichkeit passt zur imposanten Statur der Sopranistin Elza van den Heever: Sie ist 1,80 Meter groß, mit einer kerzengraden Haltung, die aber nie verkrampft, sondern immer lässig wirkt. Ja, das sind die warmen Augen der Desdemona, mit der sie auf der Frankfurter Opernbühne in Verdis „Otello“ zu Tränen rührte, das sind aber auch die energischen Augen von Mozarts „Elettra“ aus seinem „Idomeneo“, für deren Wahnsinnsszenen sie Triumphe feierte. Extrem ehrgeizig ist sie und zieht durch, was sie sich einmal vorgenommen hat. Zum Beispiel innerhalb von 15 Monaten satte 23 Kilo abzunehmen.

Dafür gab es einen triftigen Grund: In ihrem Terminkalender stand eben diese Mozart-„Elettra“ an der Metropolitan Opera in New York. „Ich schaute in den Spiegel und sagte: Mein Gott, du musst abnehmen.“

Indianisches Märchen

Diesen März wurde die Premiere im Kino übertragen, und „vor vielen Millionen Menschen live zu singen war ein wahnsinniger Leistungsdruck“. Daher auch das Wolfs-Tattoo an ihrem rechten, inneren Handgelenk. Es lässt darauf schließen, dass es nicht immer leicht ist, die berühmte Elza van den Heever zu sein. „Das Tattoo erinnert mich daran, gut zu mir selbst zu sein. Ich muss jeden Morgen aufstehen und zu mir sagen: Ich bin gut genug, das alles zu schaffen, ich bin gut genug für diese hart erarbeitete Karriere.“

Der Wolf stammt aus einem indianischen Märchen, das sie sehr beeindruckt hat. Es geht so: Großvater und Enkel sitzen gemeinsam am Lagerfeuer. Ständig kämpfen der gute Wolf und der böse Wolf in der Seele des Menschen miteinander, erzählt der alte Indianer. Der Gute steht für Mut, Freundlichkeit und Güte, der böse Wolf für Angst, Neid und Selbsthass. „Und wer gewinnt?“, fragt neugierig der Enkel? Der Großvater sagt: „Es gewinnt der Wolf, den du fütterst.“

Während die 38-Jährige diese Geschichte erzählt, streicht sie sanft über ihr Handgelenk. Den bösen inneren Wolf kennt sie nur zu gut. Den, der Perfektion verlangt, der ständig die Stimme kritisiert und Selbsthass befeuert. Da tut es gut, wieder in Frankfurt zu singen, ihrem „home theatre“, wie sie nicht müde wird in New Yorker Zeitungen zu betonen. Bernd Loebes Haus am Willy-Brandt-Platz ist ihr künstlerisches Fundament, ihr sicherer Hort, wo alles begann. Sie lächelt: „Ich liebe es, in Frankfurt zu singen, ich liebe das gesamte Team, ich liebe die Menschen in Frankfurt, ich liebe das Publikum – all das fühlt sich wirklich an wie eine ganz warme Umarmung.“

Bereits in der Kindheit war das stille, große Mädchen ein Außenseiter und hieß allgemein „die Seltsame“. Jetzt singt sie mit Verdis Leonora die heiß begehrte Hofdame, die gleich zwei Brüdern den Kopf verdreht. Dass Leonora sich aber ausgerechnet für Manrico, den Außenseiter, entscheidet, macht es für die Sängerin psychologisch leichter, die Partie zu verkörpern, gibt sie zu. Denn sie weiß noch sehr gut, wie sich so jemand fühlt.

Anspruchsvoll sind die Gesangspartien im „Trovatore“. Kein Wunder, dass Sängerlegende Enrico Caruso ironisch flapste: „Es ist doch ganz einfach, den ,Trovatore‘ aufzuführen. Man braucht nur die vier besten Sängerinnen und Sänger der Welt.“ Als Elza van den Heever das hört, lacht sie tief aus dem Bauch heraus. Dann beginnt sie von ihren drei Kollegen zu schwärmen, die ganz sicher, – sie nickt energisch mit dem Kopf –, zu den „drei besten Sängern der Welt“ zählen.

Ensemblemitglied Tanja Ariane Baumgartner, die aus Krankheitsgründen bei der Premiere leider nicht den Part der Azucena singen kann (Marianne Cornetti springt dankenswerterweise ein), habe diese „unglaubliche Resonanz in der Bruststimme und die wundervollen Höhen“. Ihr Mezzo klinge immer derart „saftig, als beiße man in ein Steak“.

Schnelle Tempi

Die Duette mit Gastbariton Brian Mulligan als Luna seien einfach „phänomenal“, er singe so „flüssig und angenehm“. Klar hätten sie viel gelacht auf den Proben. Bei einer so „blödsinnigen Story“! Probleme hatte Van den Heever anfangs mit den schnellen Tempi des Dirigenten Jader Bignamini. Aber später habe sie genau das geschätzt. Dadurch werde dieser „Trovatore“ sehr „lebendig, interessant und atmet Leben“, glaubt sie.

Verdi selbst ist und bleibt ihr Lieblingskomponist. Er habe einfach wie kein anderer verstanden, wie ein Sopran sich fühle und was er benötige. Am Ende der vier Akte sei sie tatsächlich so frisch „wie ein Gänseblümchen“. Anders bei Mozart. Sie verdreht die Augen, als müsse sie sich übergeben. Wenn sie den singen muss, sterbe sie vor Lampenfieber. Nie wieder wolle sie Donna Anna singen, denn „Mozart erschreckt mich zu Tode“. Bei Verdi kann das sportliche Energiebündel aus Johannisburg viel körperbetonter sein. Da könne sie sich austoben, über die Bühne rennen und einfach die „Crazy Elzy“ sein.

So lebendig sie erzählt, so ernst wird sie, wenn sie auf den bösen Wolf zurückkommt. Es ist schwer zu glauben und doch keine Koketterie, das verrät der Blick in die jetzt dunkel gefärbten Augen: Denn so sehr die Fans ihre Stimme lieben, so wenig Anerkennung hat die Sopranistin selbst für ihre dramatische, zum zarten Blühen in der Höhe neigende Stimme. „Leider genieße ich sie nicht.“ Besonders schlimm war es ganz am Anfang ihrer Karriere, als sie ihre eigenen CDs auflegte. „Ich dachte wirklich: Oh mein Gott, wer will das denn hören?“ Mittlerweile, nach zehn Karrierejahren, kann sie zumindest ihre Anstrengungen anerkennen. „Ich arbeite sehr hart daran, eines Tages sagen zu können: Ich liebe die Art, wie ich singe, ich liebe ihren Klang.“ Eines aber liebt sie auf jeden Fall und praktiziert es ausgiebig, seitdem sie acht Jahre alt ist: das experimentelle Kochen, völlig ohne Rezept. In Frankfurt geht sie fast nie aus. „Ich koche lieber. Kochen ist für mich wie Atmen. Die natürlichste Sache der Welt.“

Bettina Boyens – Frankfurter Neue Presse